Carbon Capture, Usage and Storage (CCU/S) als Baustein für eine klimaneutrale Industrie

CCU/S sind Schlüsseltechnologien für eine klimaneutrale Industrie

Zusammenfassung

Für eine klimaneutrale Gestaltung der Industrie müssen vorrangig Erneuerbare Energien und Gase (z. B. klimaneutraler Wasserstoff, die Nutzung von Abwärme und der Einsatz von Wärmepumpen) in der Strom- und Prozesswärmeversorgung ausgebaut sowie prozesstechnische Innovationen genutzt werden, um so viel CO2zu vermeiden wie möglich. Es bleiben weiterhin einerseits elementare Wertschöpfungsketten, in denen Kohlenstoff als zentraler Rohstoff gebraucht wird, und andererseits Bereiche, in denen unvermeidbare Emissionen anfallen. Dazu wird ein effektives Carbon Management mit den dazugehörenden Infrastrukturen, Regeln, Anreizen, Geschäftsmodellen und Kooperationsnetzwerken benötigt. Dazu gehört auch die Erstellung eines Konzepts zur Reduktion des CO2-Ausstoßes (Dekarbonisierung) und – im Falle eines weiter bestehenden Kohlenstoffbedarfs – zur Verringerung des fossilen Kohlenstoffeinsatzes, z. B. durch biogene Kohlenstoffnutzung oder geschlossene CO2-Kreisläufe (Defossilisierung).

Zum Erreichen der Klimaneutralität bis 2045 und zur Beschleunigung des Weges dorthin leisten CCU/S-Technologien einen signifikanten Beitrag, indem sie klimaschädliche Emissionen wirksam abfangen. Das gilt auch in Bereichen, in denen noch keine wirtschaftliche Alternative zur Vermeidung von CO2-Emissionen besteht. Sie schaffen dabei die Grundlage für eine effektive Kreislaufwirtschaft auf Grundlage der Nutzung von Wasserstoff und CO2 oder die sichere Speicherung des CO2. Deshalb müssen die Wasserstoffstrategie und Carbon-Management-Strategie zusammengedacht werden. Hierfür sind zügig wirtschaftlich tragfähige regulatorische Rahmenbedingungen zu schaffen.

Dabei gilt für die Industrie, dass sie nur diejenigen Technologien dafür anwenden wird, CO2 effektiv aus der Atmosphäre zu halten, die wirtschaftlich sind. Auch aus technischen Gründen sind dabei sowohl CCU als auch CCS notwendig.

Beide Technologiegruppen setzen voraus, dass wir in größerem Maße als heute Erneuerbare Energien zur Verfügung haben. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass CCS einer weit geringeren Menge an Erneuerbarer Energie in der Umsetzung bedarf als CCU und nicht im selben Maße auf komplexe, erst noch aufzubauende Marktbeziehungen zwischen Emittenten und Abnehmern des CO2 angewiesen ist. Zudem sind die tatsächlichen CO2-Bilanzen der Technologien zu berücksichtigen.

Angesichts der langjährigen Erfahrungen mit der Technologie unter anderem in Norwegen hat sich CCS als sichere und dauerhafte Möglichkeit zur Reduzierung des Ausstoßes von CO2 in der Atmosphäre erwiesen. Mögliche Anbieter von CCS-Lösungen weisen große Mengenpotenziale aus. Dennoch stößt die Technologie in Teilen der Gesellschaft auf Vorbehalte. Deswegen setzen wir uns für eine transparente Kommunikation und einen breiten gesellschaftlichen Dialog ein, um Bedenken aufzunehmen und zu adressieren. Wir begrüßen es, dass das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz hier die Initiative übernimmt.

Eine gelungene Regulierung von CCU/S sollte folgende fünf Prinzipien umfassen:

  • Die Voraussetzungen von CCU/S müssen ermöglichend und technologieoffen reguliert werden
  • Es gilt marktwirtschaftliche Rahmenbedingungen für den Einsatz von CCU/S zu schaffen
  • Die Rahmenbedingungen und Infrastrukturen für Erneuerbare Energie, Wasserstoff mit seinen Derivaten und CCU/S bedürfen einer integrierten Betrachtung
  • Gesetzgebung muss eindeutig und dauerhaft verlässlich gestaltet werden als Voraussetzung für gesellschaftliches Vertrauen und unternehmerische Planungssicherheit
  • Die Kreislaufführung von CO2 und die dazu notwendigen Kooperationen müssen unterstützt durch staatliche Initiativen werden.

Der VIK empfiehlt dazu, die folgenden Punkte umzusetzen:

  • Zügige Zulassung des Transports von CO2 ins Ausland durch Ratifizierung und Anwendung des Art. 6 des London-Protokolls und Anpassung des Kohlendioxid-Speicherungsgesetzes (KSpG)
  • Einführung einer staatlichen Förderung von CCU/S inklusive der zugehörigen Infrastruktur für CAPEX und OPEX
  • Klärung der Emissionsbilanzierung für CCU/S und Berücksichtigung negativer Emissionen in Emissionshandels- und CO2-Bepreisungssystemen (ETS und Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG)).
  • Technologieoffene Regulierung der Übergabepunkte zwischen Abscheidern, Transporteuren und Abnehmern bei verschiedenen Transportmodalitäten (Schiene, Schiff, Straße, Pipeline), inklusive der Messung und Zuordnung möglicher CO2-Leckagen, auch bei geteilter Nutzung von Speicherstätten
  • Definition von Speicherfristen in unterirdischen Speichern und langlebigen Produkten, sowie Ausnahme von der ETS-Compliance-Verpflichtung bei Kreislaufführung für kurzlebige Produkte
  • Anpassung der Genehmigungs- und Bilanzierungsregeln im BImSchG und BImSchV beim Umgang mit Restabgasen nach CO2-Entzug (volumetrische Schadstoffgrenzwerte)
  • Standardisierung des Reinheitsgrades für CO2-Transport
  • Zulassung der Nutzung von BECCU/S [1] für den Aufbau von CO2-Kreisläufen und DACCU/S [2] zu einer weiter in der Zukunft liegenden Beseitigung verbleibender Restemissionen
  • Eindeutige Klassifizierung von CO2 als Sekundärrohstoff für die Nutzung und als Abfall bei beabsichtigter Speicherung
  • Zulassung von CCU/S zur Unterstützung des Hochlaufs der Wasserstoffwirtschaft

Im Einzelnen

Zügige Zulassung des Transports von CO2 ins Ausland durch Ratifizierung und Anwendung des Art. 6 des London-Protokolls und Anpassung des Kohlenstoffspeichergesetzes (KSpG)

Derzeit ist der Transport von CO2 ins Ausland zur unterirdischen Speicherung durch drei rechtliche Vorschriften untersagt. Zum einen verhindert §4 Abs. 2 KSpG i.V.m. Art. 2 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 3 der EU-Richtlinie 2009/31/EG den Transport von CO2 ins Nicht-EU-Ausland (inkl. Norwegen). Zum anderen wird zu speicherndes CO2 international als Abfall gewertet, dessen Transport ins Ausland nur möglich ist, wenn der exportierende Staat die Ergänzung des Art. 6 des London-Protokolls ratifiziert hat und diese in Kraft getreten ist. Zuletzt verhindert die Möglichkeit von Einschränkungen durch die Bundesländer den Transport durch diese Bundesländer, wenn der Bestimmungszweck die unterirdische Speicherung ist.

Die entsprechenden Vorgaben im KSpG müssen entsprechend so angepasst werden, dass ein Transport in Länder möglich wird, die zur Abnahme bereit sind. Für die Ergänzung des London-Protokolls bedarf es der Erklärung einer provisorischen Anwendung bis zum Inkrafttreten.

Des Weiteren ist nach §2 KSpG die Genehmigung von unterirdischen Kohlendioxidspeichern nur möglich, sofern ein Antrag vor dem 31.12.2016 gestellt wurde. Da die Frist abgelaufen ist, entspricht dies einem faktischen Verbot der Technologie. Auch sind nur Anlagen zur Erprobung und Demonstration genehmigungsfähig, wobei dies den Transport einschließt. Damit es zu einer skalierbaren, industriellen Nutzung von CCU/S-Technologien kommen kann, muss die Regelung der Frist aufgehoben und der Umfang auf Anlagen jenseits der Erprobung und Demonstration ausgeweitet werden.

CCU-Technologien sind derzeit nicht im Gesetz berücksichtigt. Damit Unternehmen entsprechende Kreisläufe aufbauen können, muss CCU in die Regulierung aufgenommen werden.

 

Einführung einer staatlichen Förderung von CCU/S inklusive der zugehörigen Infrastruktur für CAPEX und OPEX

Anlagen für Abscheidung, Transport, Nutzung und Speicherung von CO2 stellen signifikante Investitionen für Unternehmen dar. Solange es keine flächendeckend ausgebaute Infrastruktur und einen etablierten Markt zur Abnahme des CO2 gibt, besteht zusätzlich eine Unsicherheit für die Unternehmen, die Investitionen zu tätigen. Um die Einführung von CCU/S-Technologien und der zugehörigen Infrastrukturen zu ermöglichen und zu beschleunigen, ist eine Investitionsförderung erforderlich. Die aktuelle Überarbeitung des Dekarbonisierungsprogramms und die geplante Integration eines Moduls für CCU/S sind zu begrüßen.

Die Betriebskosten von CCU/S-Technologien übersteigen derzeit die CO2-Kosten, die im Rahmen des europäischen oder nationalen Emissionshandels entstehen. Daher gibt es noch keinen ausreichenden wirtschaftlichen Anreiz, die Technologien einzusetzen. Daher ist eine übergangsweise OPEX-Förderung ein entscheidender Hebel für den Technologiehochlauf, z.B. im Rahmen der geplanten Klimaschutzverträge (CCfD).

Die entsprechende Förderung sollte dabei aus dem Bundeshaushalt erfolgen. Eine zusätzliche Belastung nicht an der Nutzung der Infrastruktur beteiligter Unternehmen zur Finanzierung der Infrastruktur oder der Anlagen zur Nutzung und Speicherung für CCU/S ist unbedingt zu vermeiden. Investitionen in CCU/S Technologien sollten von staatlicher Seite effektiv angereizt werden. Mittel- und langfristig muss ein marktwirtschaftlicher Rahmen entstehen, in dem die Technologien wirtschaftlich zum Einsatz kommen können. Für den Anschub sind Märkte für grüne Grundstoffe („grüne Leitmärkte“) wesentlich, um die Nachfrage nach klimafreundlichen Technologien anzuregen, solange diese aufgrund höherer Betriebskosten nicht wettbewerbsfähig sind.

 

Klärung der Emissionsbilanzierung für CCU/S und Berücksichtigung negativer Emissionen in Emissionshandelssystemen (ETS und BEHG)

Wenn Unternehmen CO2 erfolgreich abscheiden und geologisch oder in Produkten speichern, wird das CO2effektiv aus der Atmosphäre gehalten und kann keine klimaschädlichen Auswirkungen entfalten. Solche Nicht-Emissionen müssen im Emissionshandel des ETS und des BEHG anrechnungsfähig sein. Derzeit ist dies aber nur im Falle des Transports mittels Pipeline zum Zwecke der Speicherung nach Art. 49 Abs. 1 EU-MVO (EU) 2018/2066 der Fall. Dezentrale Standorte und die letztliche Verbringung zu Offshore-Speicherorten bedürfen aber anderer Transportwege. Die Nutzung von CO2 ist derzeit nur selektiv (siehe Schaefer-Kalk-Urteil) anrechnungsfähig und müssen auch darüber hinaus zugelassen werden.

Damit CCU/S-Technologien marktgetrieben so zum Einsatz kommen, dass die Unternehmen sich für die effizienteste Weise der CO2-Vermeidung entscheiden können, müssen diese anderen Transportwege und Abscheidungszwecke berücksichtigt werden. Dies gilt auch für negative Emissionen, die durch den biogenen oder technischen Entzug von CO2 aus der Luft zustande kommen.

Der VIK wird hierfür eine vertiefte Position entwickeln.

 

Technologieoffene Regulierung der Übergabepunkte zwischen Abscheidern, Transporteuren und Abnehmern bei verschiedenen Transportmodalitäten (Schiene, Schiff, Straße, Pipeline), inklusive der Messung und Zuordnung möglicher CO2-Leckagen, auch bei geteilter Nutzung von Speicherstätten

Nach Art. 49 Abs. 1 EU-MVO (EU) 2018/2066 ist nur der Pipeline-Transport von CO2 anrechnungsfähig im Emissionshandel der EU. Ein CO2-Pipelinenetz wird Zeit benötigen, um sich zu entwickeln und in mehreren Abschnitten und Phasen implementiert werden. Dies bedeutet, dass abgelegene Standorte zumindest zunächst auf andere Transportwege für abgeschiedenes CO2 angewiesen sind. Dies kann vor allem per Binnenschifffahrt oder auf der Schiene erfolgen. Auch hierbei handelt es sich um sichere CO2-Transportwege, und eine Anrechnung im Emissionshandel und beim CO2-Preis muss möglich sein.

Bei der – möglicherweise mehrfachen – Übergabe des CO2 zwischen Transportmodi und während des Transports können Leckagen auftreten. Dies gilt auch für Zwischenspeicher, die auf dem Transportweg vor der Nutzung oder dauerhaften Speicherung zum Einsatz kommen können. Hierfür muss rechtssicher bestimmt werden, bis zu welchem Punkt die Unternehmen, die CO2 abgeben, für die Leckage haften und diese in ihren Emissionsbilanzen berücksichtigen müssen. Hierzu bedarf es verlässlicher Standards zur Messung.

Um Skaleneffekte nutzen zu können und die Speicherung oder Nutzung von CO2 wirtschaftlich darstellbar zu machen, werden die Abnehmer des CO2 in der Zukunft CO2 bei mehreren Punktquellen einsammeln. Das Transportmittel enthält somit stromabwärts zunehmend CO2 aus verschiedenen Quellen, sodass im Falle einer Leckage das CO2 entweder dem Transporteur oder anteilig den Abscheidern zugerechnet werden muss, wobei der Anteil dem Anteil des beigesteuerten CO2 an der gesamten transportierten Menge entsprechen sollte.

 

Definition von Speicherfristen in unterirdischen Speichern und langlebigen Produkten, sowie Ausnahme von ETS-Compliance-Verpflichtung bei Kreislaufführung für kurzlebige Produkte

Art. 1 Abs. 2 und Art. 18 EU-Richtlinie 2009/31/EG (hiernach: EU-CCS-RL) stellen klar, dass das Ziel der Speicherung eine dauerhafte Einlagerung des CO2 in geologischen Formationen ist. Ein Verschluss der Lagerstätte ist erst dann möglich, wenn diese vollständig gefüllt ist und mindestens 20 Jahre lang keine Leckage aufgetreten ist. In Deutschland definiert § 3 Abs. 1 KSpG eine dauerhafte geologische Speicherung als eine Lagerung, die Leckagen auf unbegrenzte Zeit verhindert. § 3 Abs. 9 KSpG definiert Langzeitsicherheit ebenso mittels einer unbegrenzten Speicherzeit. Die Regelung geht also weit über die europäische Mindestregelung hinaus.

Die Definition im deutschen Recht sollte den europarechtlichen Regeln entsprechen, da Unternehmen Rechtssicherheit benötigen, ab welcher nachgewiesenen Lagerzeit eine „unbegrenzte“ Speicherung angenommen werden kann. Dies gilt besonders, wenn ein Unternehmen in der Zukunft Wege findet, die Emissionen vollständig zu vermeiden und nicht mehr an einer weiteren Einspeicherung teilnimmt. Eine zeitlich unbegrenzte Haftung für die Emissionen ist den Unternehmen nicht zumutbar. Für eine angemessene Nachweisfrist bietet es sich an, auf bestehende Erfahrungen zurückzugreifen, beispielsweise aus Norwegen. Die europarechtlichen Bestimmungen sollten entsprechend überprüft und gegebenenfalls angepasst werden.

Die EU-CCS-RL und das KSpG definieren Speicherfristen zudem nur für eine unterirdische Speicherung. Für Anwendungsfälle im Bereich der Nutzung von CO2 wird eine Definition benötigt, wann CO2 als dauerhaft gebunden gilt. Sind die Bedingungen erfüllt, sind die Unternehmen für diese CO2-Mengen von der Pflicht zur Entwertung von CO2-Zertifikaten freizustellen. Hierfür ist zu unterscheiden nach einer Bindung in langlebigen Produkten und einer Bindung in kurzlebigen Produkten i.V.m. einer effektiven Kreislaufführung. Werden CO2-Emissionen in langlebigen Produkten gebunden, z. B. in Kunst- oder Baustoffen, sollte die Anrechnungsfähigkeit für eine festgelegte Anzahl von Jahren gegeben sein, die produktspezifisch einmalig nachgewiesen wird.

Für kurzlebigere Produkte wie klimaneutrale, synthetische Kraftstoffe muss nachgewiesen werden, dass ein Kreislauf aufgebaut wird, der Abscheidung, anschließende Nutzung und erneute Abscheidung von CO2 in einer Weise sicherstellt, dass CO2 effektiv aus der Atmosphäre gehalten wird. Für den Fall von Beimischungen sollte eine anteilige Anerkennung erfolgen. In diesen Fällen bedarf es einer Ausnahme von den ETS-Compliance-Verpflichtungen.

 

Anpassung der Genehmigungs- und Bilanzierungsregeln im BImSchG und BImSchV zur Regulierung des Umgangs mit Restabgasen nach CO2-Entzug

Wird CO2 aus Abgasen entnommen, erhöht sich der Anteil der anderen Bestandteile des Abgases an dessen Restvolumen. In den Verordnungen zur Umsetzung des BImSchG und der TA Luft in der aktuellen Fassung vom 18. August 2021 wird zur Erfassung der Immissionen und Emissionen auf Massenkonzentrationen und damit Volumenanteile abgestellt. Eine Entnahme von CO2 vor dem Messpunkt kann entsprechend zu einer Überschreitung von Grenzwerten führen, obwohl die gleiche Menge an immissionsschutzrechtlich relevanten Stoffen in die Umwelt entlassen wird.

Eine schlichte Anwendung der geltenden Konzentrationsgrenzwerte auf Anlagen mit CO2-Abscheidung wäre wegen der unterschiedlichen Verfahrenstechnik nicht sachgerecht, denn diese Konzentrationswerte wurden lediglich für Anlagen ohne CO2-Abscheidung als Stand der Technik abgeleitet, und würde zu einer massiven, letztlich nicht gerechtfertigten Verschärfung der Umweltanforderungen für Anlagen mit CO2-Abscheidung im Vergleich zu solchen ohne CO2-Abscheidung führen.

Eine vergleichbare Konstellation der Anwendung unterschiedlicher Verfahrenstechniken ist aus der Glasindustrie bekannt, in der Glaswannen mit klassischen Brennern und solche mit Oxyfuel-Brennern (welche ein deutlich geringeres Abgasvolumen erzeugen) zum Einsatz kommen. Der hierfür in den BVT-Schlussfolgerungen für die Glasindustrie aus 2012 gefundene Lösungsansatz, gleichwertige produktbezogene Emissionsfaktoren (= Schadstoffmenge je Produkteinheit, siehe auch Nr. 2.5 d) TA Luft) festzulegen, kann ohne Weiteres auch auf Anlagen mit und ohne CO2-Abscheidung übertragen werden.

Der Gesetzgeber sollte entsprechend vorsehen, das Volumen des entnommenen CO2 bei der Berechnung der Volumenanteile anderer emittierter Stoffe weiter zu berücksichtigen oder auf eine Erfassung über gleichwertige produktbezogene Emissionsfaktoren umzusteigen. Es sollte zudem vermieden werden, Doppelmessungen einzuführen.

 

Standardisierung des Reinheitsgrades für CO2-Transport

Sowohl die Nutzung von CO2 in der Produktion als auch die unterirdische Speicherung erfordern einen hohen Reinheitsgrad des CO2. Auch aufgrund der spezifischen Transportanforderungen von CO2 kommt einer Standardisierung große Bedeutung zu. Schwankungen im Reinheitsgrad je nach Abscheider können die Qualität für die weitere Verarbeitung oder geologische Speicherung beeinträchtigen. Zugleich bietet eine Standardisierung den Vorteil von Planungssicherheit für die beteiligten Unternehmen.

 

Aufbau geschlossener CO2-Kreisläufe – Nutzung bestehender CO2-Quellen und Nutzung von BECCU/S für den Aufbau von CO2-Kreisläufen und DACCU/S zu einer weiter in der Zukunft liegenden Beseitigung verbleibender Restemissionen

Geschlossene Kohlenstoffkreisläufe werden für die Deckung des Rohstoffbedarfs der Industrie essenziell und einen wichtigen Teil der Wasserstoffwirtschaft darstellen. Um bereits heute den künftig hohen Bedarf an Kohlenstoff zu adressieren, sollte mithilfe von CCU/S-Technologie und bestehenden Technologien ein Kohlenstoffkreislauf aufgebaut werden. Dieser sollte mit internationalen Projekten zum H2-Hochlauf verknüpft werden

Neben einer Zulassung von CCU/S-Technologien bezogen auf industrielle Emissionen sollten auch auf biogenen Quellen (Bio-Energy with CCU/S – BECCU/S) oder direktem Luftentzug (Direct Air CCU/S – DACCU/S) beruhende CCU/S-Technologien grundsätzlich zugelassen werden. Die Nutzung insbesondere biogener Quellen ist essenziell für die Kohlenstoffversorgung der darauf angewiesenen Industrien, die dadurch geschlossene Kreisläufe aufbauen können. Aufgrund des hohen Bedarfs an Erneuerbarer Energie und der geringen Effizienz von DACCU/S ist für diese Technologie nicht von einem skalierten Einsatz in naher Zukunft auszugehen, da die Erneuerbaren Energien an anderer Stelle effizienter eingesetzt werden können. Sowohl BECCU/S als auch DACCU/S sind für die langfristige Beseitigung verbleibender Restemissionen und die Erreichung der in den Berichten des IPCC als notwendig betrachteten Negativemissionen von entscheidender Bedeutung.

 

Eindeutige Klassifizierung von CO2 als Sekundärrohstoff für die Nutzung und als Abfall bei beabsichtigter Speicherung

Für die Industrie stellt CO2 einen Rohstoff dar. Der darin enthaltene Kohlenstoff ist ein essenzieller Baustein von Kunst- und Kraftstoffen sowie verschiedener Grundchemikalien. In den metallischen und keramischen Industrien wird er häufig benötigt, um bestimmte Produktqualitäten zu erzielen. In der Lebensmittelindustrie wird das Gas in Reifungs-, Kühl- und Verarbeitungsschritten verwendet. Um dieser Rolle gerecht zu werden, sollte CO2standardmäßig auch in der Politik und in der Regulierung als solcher verstanden werden. In Rechtsfeldern, in denen ein solches Verständnis zu Komplikationen führen kann, z. B. bei der Speicherung von CO2, ist es sinnvoll, dieses ausnahmsweise als Abfall zu definieren.

 

Zulassung von CCU/S zur Unterstützung des Hochlaufs der Wasserstoffwirtschaft

Ein wichtiger Bestandteil eines Pfades hin zu einer klimaneutralen Industrie ist der zügige Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft. Wasserstoff und CO2 müssen gemeinsam gedacht werden, da beide Stoffe Grundlage vieler Chemikalien und synthetischen Kraftstoffe sind, hierfür also den entscheidenden Feedstock bilden.

Für den internationalen Handel mit Wasserstoff erwarten wir zudem einen internationalen Handel mit CO2, um die benötigten CO2-Mengen für Power-to-X-Produkte (PtX) verfügbar zu machen.

Klimafreundliche Kraftstoffe und Chemikalien aus PtX können schnell zur Dekarbonisierung beitragen, benötigen dafür aber große Mengen an CO2. Um rasch beginnen zu können, ist eine ausreichende Übergangszeit erforderlich, in der auch „graues“ CO2 für die Produktion dieser PtX-Produkte genutzt werden kann, ohne dass das PtX-Produkt dadurch einen Nachteil erfährt. Das heißt, dass hier beispielsweise auch eine Zertifizierung erfolgen muss, wobei unvermeidbare rohstoffbedingte Emissionen und brennstoffbedingte Emissionen differenziert betrachtet werden sollten.

Wasserstoff kann in vielen Prozessen Erdgas ersetzen – sowohl stofflich als auch thermisch –   oder als Langfristspeicher für Strom fungieren. Um der sich entwickelnden Wasserstoffwirtschaft Versorgungs- und Planungssicherheit zu gewährleisten, ist es sinnvoll, technologieoffen auf eine Vielfalt von CO2-armen Produktionsmethoden für Wasserstoff zu setzen.

Hierzu gehören die Elektrolyse mit Erneuerbarer Energie, die Elektrolyse mit Strom aus dem Netz, anfallender Wasserstoff als industrielles Nebenprodukt und die Dampfreformierung in Verbindung mit CCU/S, sowie die Nutzung von Methanpyrolyse und biogenen Quellen.

 

 

[1] Bioenergy with CCU/S, die Entnahme von CO2 aus der Luft durch pflanzliche Prozesse mit anschließender Nutzung oder Speicherung

[2] Direct Air CCU/S, die direkte technische Entnahme von CO2 aus der Luft mit anschließender Nutzung oder Speicherung